Im vergangenen Jahr 2019 konnte man eine wahre Flut an Material Compliance Untersuchungen erleben. Allen voran schaffte es Stiftung Warentest immer wieder, auch renommierten Markenherstellern, Material Compliance Verstöße nachzuweisen. Die Auswirkungen waren nicht minder gravierend. Der Vollzug hat spürbar die Anforderungen angezogen und verfolgt nunmehr eine Nulltoleranzphilosophie. Die Vollzuganforderungen orientieren sich hierbei sehr eng an den Vorgaben der DIN EN 50581/IEC 63000 und beinhalten nicht nur die reine stoffliche Betrachtung der Produkte, sondern auch die prozessseitige Einbindung des Themas in das Produktkonformitätsverfahren.

Drohende Aberkennung des CE-Kennzeichens & Handelsverbote

Treten hier Defizite in der Produkt Compliance auf, so führen diese potenziell nicht nur zur Verhängung von Ordnungsmaßnahmen, wie Nacharbeit oder Produktrückruf, sondern auch zur Aberkennung des CE-Kennzeichens. Damit ist die Vermarktung des Produktes, solange bis die Produktdefizite behoben sind, verboten. Selbst wenn über toxikologische Gutachten nachgewiesen werden kann, dass die Non-Compliance zu keinen gesundheitlichen Schäden des Nutzers führt, kann man kaum auf Strafminderung oder Maßnahmenreduzierung hoffen.

Ähnlich strikt gehen hier auch die großen Handelsplattformen mit Unternehmen, die schadstoffbelastete Produkt über deren Plattform handeln wollen, um. In einigen bekannten Fälle reichte bereits ein Vorfall aus, damit die Plattform den Handel aller Produkte des Unternehmens – und nicht nur den des betroffenen Produktes – bis auf weiteres aussetzte. Erst nachdem das Unternehmen die Produkt Compliance nachweisen konnte, wurde der Handel wieder freigegeben.

Die DIN EN IEC 63000 als bewährter Umsetzungsleitfaden

Ob nun durch Vollzugsanordnungen, Handelsverbote durch die zuständige Marktüberwachung oder Plattformbetreiber, die Auswirkungen einer Non-Compliance haben massiv angezogen und in der Unternehmensbedeutung ein mehr als relevantes Ausmaß erreicht. Große Hürde bleibt immer noch die eigene Überprüfung der Vorgabenkonformität, welche nur durch eine kontinuierliche Lieferantenkommunikation und Datenbeschaffung mit anschließender Datenvalidierung möglich ist. Mit der DIN EN IEC 63000 wird durch die Formulierung des Stands der Technik die Brücke zwischen der gesetzlichen Vorgabe und der notwendigen Umsetzung geschlagen. Eine Norm, die bereits heute in der Umsetzung von anderen Regelwerken direkt oder indirekt gezogen wird.

Das sollten Sie gemäß DIN EN IEC 63000 tun (1 bis 5):

1. Bestimmung der Vertrauenswürdigkeit des Lieferanten

Eine Aussage zur Material Compliance eines Lieferanten darf demnach erst dann berücksichtigt werden, wenn dessen Vertrauenswürdigkeit in diesem Thema festgestellt wurde. Dass in Zeiten der sich rasant entwickelnden Vorgabensituation und der dadurch notwendigen Themenpriorisierung von den Lieferanten oftmals Aussagen getätigt werden, ohne dass diese vollumfänglich abgesichert sind, macht die Vertrauenswürdigkeitsbeurteilung umso sinnvoller.

2. Vertragliche Vereinbarung mit dem Lieferanten

Prinzipiell müssen sämtliche Lieferanten informiert bzw. vertraglich gebunden werden, alle Vorgaben, die das Endprodukt betreffen, im Lieferantenprodukt umzusetzen. Darunter fallen auch die Vorgaben zur Material Compliance. Da diese unterschiedliche Produktbereiche mehr oder minder stark betreffen und die Menge an Anforderungen mit der Anzahl der Vertriebsmärkte und Weiterentwicklung gesetzlicher Regulierung stetig wächst, ist ein differenziertes Vorgehen zu empfehlen. In der Praxis hat sich dazu eine „Material Compliance Hausnorm“ bestens bewährt. Diese wird als mitgeltende Unterlage in unterschiedliche vertragsrechtliche Dokumente in Einkauf, Qualität und Entwicklung eingebunden, zum Beispiel Einkaufsbedingungen, Qualitätsvereinbarung, Lastenheft etc. und ermöglicht so eine weitreichende Information des Lieferanten im Hinblick auf die Vorgabensituation. Dieses „Masterdokument“ wird nach außen wie nach innen für die Mitarbeiter als verbindlich zur Einhaltung vorgeschrieben und enthält folgende Bereiche:

  • Allgemeiner Teil mit Formulierung des Geltungsbereichs, der rechtlichen Relevanz, der Pflichten des Lieferanten, Informationspflichten wie auch haftungsrelevante Punkte
  • Übergeordneter Regelwerksbereich mit Festlegung der Regelwerke, welche für alle Lieferantenartikel gelten
  • Individueller Regelwerksbereich, welcher nur für spezielle Artikel gilt

Bei Bedarf unterstützen wir Sie gerne bei der Erstellung Ihrer Hausnorm.

3. Anfrage der artikelbezogenen Material Compliance beim Lieferanten

Gemäß der Norm benötigt jedes Produkt, das Ihr Unternehmen herstellt, einen regelwerksspezifischen Material Compliance Status. Als Stand der Wissenschaft (ECHA-Helpdesk) wie auch der Technik (IEC 63000) wird hierbei die artikelspezifische Deklaration (Artikelnummer und Artikelname erforderlich) formuliert. Dies bedeutet, dass für jeden Artikel einzeln oder auch in Gruppen die Einhaltung der Vorgaben vom Lieferanten bestätigt werden muss. Eine Auskunft zur generellen Vorgabenkonformität ist nicht ausreichend.

Ohne entsprechende Software, wie sie unter anderem tec4U-Solutions mit DataCross anbietet, ist diese umfangreiche Kommunikations- und Validierungsaufgabe nicht zu bewältigen.

4. Risikoanalyse für Teile, für die keine Material Compliance Information vorliegt

Möglicherweise ist die Anzahl Ihrer Lieferanten zu hoch, um die Vorgabenkonformität bei allen Lieferanten einzeln anzufragen, oder einige Ihrer Lieferanten antworten nicht. In einigen Fällen wird also immer ein Rest von fehlenden Informationen vorhanden sein. Dann ist analog der Norm eine Risikoabschätzung durchzuführen, die ermittelt, wie hoch das Risiko ist, dass in einem einzelnen Artikel eine reglementierte und/oder verbotene Substanz vorhanden ist. Zu beachten ist allerdings, dass so zu diesem Artikel keine rechtsbelastbare Auskunft vorliegt.

Diese komplexe Aufgabe erfordert viel Fachwissen und Entwickler-Know-how, kann aber ebenfalls mittels Softwareunterstützung durchgeführt und damit prozesssicher gestaltet werden. tec4U-Solutions hat als anerkannter Experte auf dem Gebiet der Material Compliance eine Methode zur Abschätzung des Material Compliance Risikos auf Artikelebene entwickelt und in einem Regelwerksmodul in Regelwerksmodul in DataCross softwaretechnisch umgesetzt.

5. Absicherung Risikoteile über Analytik

Eruiert man innerhalb der Risikoanalyse Bauteile, welche ein hohes Risiko ausweisen, dass reglementierte oder verbotene Substanzen darin enthalten sein könnten, so muss das Vorhandensein derselben über eine chemische Analyse ausgeschlossen werden. Die chemische Analyse von Risikoteilen bedarf einer genauen vorhergehenden Betrachtung, um nicht unnötig (teure) Untersuchungen anzustellen. Hierbei gilt es, bezogen auf den zu untersuchenden Artikel, abzuwägen, in welchem Teil des Artikels mit welcher Wahrscheinlichkeit mit dem Vorhandensein von reglementierten Substanzen überhaupt zu rechnen ist.

6. Benennung eines Material Compliance Beauftragten

Ein Beauftragtenwesen im Bereich der Material Compliance ist als solches über die Regelwerke oder die DIN EN IEC 63000 nicht explizit eingefordert, hat sich jedoch in der Praxis bewährt. Der Material Compliance Beauftragte ist die Schnittstelle zwischen den einzelnen Unternehmensbereichen und Garant für die vorgabenkonforme Produktumsetzung. Neben der Konsolidierung der Vorgabensituation begleitet er themenbezogen die einzelnen Bereiche, insbesondere dann, wenn Abweichungen weiterführende Maßnahmen verlangen. Oftmals stellt er auch im Rahmen eines Managementreports der obersten Leitung die Umsetzungsergebnisse vor bzw. informiert diese bei unternehmensrelevanten Änderungen der Vorgaben. Im hinterlegten Fachbeitrag können Sie sich ein detailliertes Bild über die Aufgaben eines Material Compliance Beauftragten machen.

tec4U-Solutions hat gemeinsam mit TÜV Saarland Bildung + Consulting ein Schulungskonzept zur Ausbildung von Material Compliance Beauftragten entwickelt, das auf Grundlage der (DIN EN IEC 63000) die Teilnehmer befähigt, Material- und Umweltvorgaben rechtssicher im Unternehmen zu koordinieren, umzusetzen und zu kontrollieren.

Hier geht’s zu den Terminen und Seminarorten.

Bei Fragen dazu oder wenn Sie Unterstützung bei der Umsetzung suchen, wenden Sie sich bitte an Stefan Nieser unter:
E-Mail: s.nieser@tec4U-solutions.com

[fusion_widget_area name=”avada-blog-sidebar” hide_on_mobile=”small-visibility,medium-visibility,large-visibility” /]